Fechenheimer Drahtwaren

Eines Tages beschäftigte ich mich im Rahmen des Kellnerblockprojektes mit dem Entwurf eines Ringblocks. Hierbei sollte ein speziell geformter Drahtbügel das Austauschen der Blätter ermöglichen.
Als ideales Rohmaterial zum Herstellen dieses Bügels erwiesen sich Fahrradspeichen. Die gehören ohnehin zur materiellen Grundausstattung meiner Erfinderwerkstatt. Haken, Ösen, ja sogar Federn lassen sich daraus je nach Bedarf herstellen.
Nun lag es wohl am aktuellen Umgang mit den vielen Zetteln, als irgendwann in meinen Gedanken eine klassische Büroklammer erschien. Die war aber nicht aus dünnem Draht, sondern aus einer Speiche geformt. Diese Vorstellung faszinierte mich so sehr, daß ich ´s sofort ausprobieren mußte. Das Ergebnis war eine entsprechend den Eigenschaften des Speichendrahtes dimensionierte Klammer von etwa 6 cm Länge, 2 cm breite und einer Spannkapazität von fast 7 mm.

Rohstoff Fahrradspeiche

Die ideale Dimension, um Ordnung in meine wiedermal ins unermessliche gewachsene Skizzenzettelwirtschaft zu bringen. Aber warum eigentlich nur in meine? Als Hingucker erwies sich diese Büroklammer ohnehin. Das Ding hatte also einen praktischen Wert und eignete sich auch als Geschenkartikel.
Kurzum: Es gab wieder ein neues Projekt für meine Leute in der WfbM. Mit den richtigen Geräten war es möglich die Klammern in größerer Stückzahl herzustellen.

Der nahezu überall herumliegende Rohstoff Fahrradspeiche stand problemlos zur Verfügung, ja erwies sich alsbald als wahrer Steinbruch für weitere Produktideen. Vom Schraubkarabiner, bei denen alle Teile einer Speiche Verwendung finden, über Schlüsselringe bis hin zu kleinen Ketten.
Gleichzeitig entstand der an dem Frankfurter Stadtteil sich orientierende Name des Projektes (natürlich nicht ohne einen gewissen Hauch von Retro): „Fechenheimer Drahtwaren“. Die Fotos von Matthias Wenger sprechen für sich.

Wahre Künstler/innen

Der inzwischen in unserer Einrichtung angebotene Handwerkskurs „Sachen aus Draht“ vermittelt sozusagen Grundkenntnisse der Metallverarbeitung in einer Art und Weise, die den Fähigkeiten unseres Klientels entspricht.
Laufräder werden mit Handwerkzeugen völlig zerlegt. Die in der Regel 2mm dicken Speichen können dann mit kleinen Sägen auf Länge gesägt werden und die Enden der einzelnen Stücke mit kleinen Feilen entgratet werden. Dabei bekommt man ein Gefühl für das Material.

Wer genug Erfahrungen gesammelt hat, darf statt der Säge den Drahtschneider und statt der Feile den Kurbelschleifer verwenden. Dann folgt, nach einer Einweisung, das Arbeiten mit den Biegevorrichtungen, mit denen die Rohzuschnitte in Form gebracht werden.
Zu guter Letzt werden noch nötige Feinheiten mit speziellen Richtzangen erledigt. Auch für diese Tätigkeit finden sich wahre Künstler/innen.

Ich bin froh, neben dem Kellnerblockprojekt nun eine weitere handwerkliche Tätigkeit aus dem Upcyclingbereich anbieten zu können. Ein weiterer Umweltaspekt wäre noch zu erwähnen: Bis auf eventuelle Beleuchtung, wird für all diesen Arbeiten kein Strom benötigt.

Wenn zwischen unseren Kundenaufträgen mal Zeit ist, werden außerhalb des Kurses in meiner Gruppe Drahtwaren produziert, um sie Besuchergruppen oder auf Festen anzubieten.

Mal schau´n, ob da mehr draus wird. Engagierte Mitarbeiter/innen gibt es jedenfalls genug.

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